Mit Rhetorik allein kommen Sie nicht weit!
Lautes Gemurmel, gähnende Gesichter, willkürliches Kommen und Gehen der Gäste – kommt Ihnen das bekannt vor? Mir auch! Neulich besuchte ich eine Veranstaltung zu der über 100 Gäste gekommen waren. Das Vortragsthema der Organisation war zwar interessant. Doch nach einer halben Stunde stellte ich fest, dass meine Konzentration deutlich nachließ und ich sah mich im Saal um: Viele Gäste unterhielten sich in normaler Lautstärke und waren einander zugewandt, als gäbe es überhaupt keinen Vortrag.
Das war auch dem Redner nicht entgangen und er versuchte mit einem Rhetoriktrick – plötzliches Verstummen – wieder auf sich aufmerksam zu machen. So ging das noch etwa ein oder zwei Mal während des langen Vortrags weiter. Als am Ende der Sponsor des Abends auch noch zu Wort kam und sein neuestes Produkt vorstellte - da war es aus! Leider recht einfallslos zeigten sie irgendein Commercial, Textblöcke aus Broschüren und ein Zahlengebilde, welches noch nicht mal ich an meinem Stehtisch aus der zweiten Reihe lesen konnte. Der Geräuschpegel hatte sich nun bis zum Anschlag hochgedreht. Ein Alptraum!
Was war passiert? Zunächst war ich auch etwas empört über die vermeintliche Respektlosigkeit der Anwesenden. Dann aber dachte ich mir: Hey, der Job eines Vortragenden ist es doch, mit der Präsentation die Leute zu begeistern und sich damit ihre volle Aufmerksamkeit zu sichern. Offensichtlich kannten sie Nancy Duarte und ihren TED-Vortrag noch nicht.
Nancys Zutaten einer wirkungsvollen Präsentation
1. „To hell with facts! We need stories!”
Wie Recht Ken Kesey hat! Menschen wollen Geschichten hören, denn das liegt einfach in unserer Kultur begründet. Und ganz richtig meint Nancy, dass Geschichten bei uns physische Reaktionen (→ Resonanz) hervorrufen, z.B. Lachen, Gänsehaut, Bauchschmerzen. Kurz: Geschichten lösen Emotionen aus – und darin sollten Sie ihre Facts und Figures ordentlich einpacken. “Nicht die Information selbst ist wichtig, sondern die emotionale Wirkung, die sie erzeugt”. Aber wie machen Sie das?
2. Ihr Publikum ist Luke Skywalker – nicht Sie!
Machen Sie Ihr Publikum zum Helden Ihrer Geschichte – und seien Sie der Mentor. Das bedeutet: Helfen Sie dem Publikum sich mit ihrer Geschichte, ihrer Idee, zu identifizieren und kommen Sie runter vom Ego-Trip! Mentoren waren selbst einmal Helden und verfügen daher über viel Wissen. Aber geben Sie das an Ihr Publikum in Bescheidenheit weiter und rücken Sie die Zuhörer in das Zentrum des Geschehens.
3. Drama, Baby!
Zu einer Geschichte gehört auch ein Erzählschema wie in einem Drehbuch: Der Held (oder die Heldin) wird vorgestellt (Einführung), der trifft auf Probleme (Konfrontation), bewältigt sie und geht als “Gewinner” hervor (Auflösung).
Für Ihre Präsentation bedeutet das: Sie brauchen einen Anfang, Mitteilteil und Schluss sowie zwei Wendepunkte (Plot Points), welche den ersten sowie den letzten Part vom Mitteilteil trennen.
• Anfang
Nancy betitelt diesen Teil als “Ruf zum Abenteuer”. In der Präsentation sollen Sie Ihrem Publikum klarmachen, “was ist” und dann - “was sein könnte” (1. Plot Point).
• Mitteilteil
Im mittleren Part führen Sie dieses Schema weiter. Sie wechseln sich mit dem “was ist” und “was sein könnte” in einer Art Wellenbewegung ab, das hält die Aufmerksamkeit des Publikums aufrecht (siehe Schema unten).
• Plot Point Nr. 2
Der letzte Wendepunkt sollte eine “Handlungsaufforderung” sein. Sprich: Sie verdeutlichen dem Publikum, was “getan werden muss”, welche Verändnerungen es geben sollte.
• Schluss
Dieser Part wird auch “die Verheißung” genannt, die “Belohnung”, die in der Zulunft wartet. An diesem Punkt hat das Publikum bestenfalls die Idee angenommen, die Sie vermitteln wollten und möchte aktiv werden.
Storytelling zahlt sich aus
Nany hat viele Präsentationen analysiert, um zu diesen Erkenntnisse zu kommen, z.B. die erfolgreichen Keynotes von Steve Jobs. Hätte der Vortragende auf besagter Veranstaltung ihre Punkte berücksichtigt - er hätte nicht immer wieder um Ruhe bitten müssen. Besser noch!
Das Publikum hätte
• still und aufmerksam zugehört
• die Inhalte wahrgenommen und sich damit identifiziert
• Emotionen gezeigt und unaufgefordert applaudiert
• die Vortragszeit nicht wie eine Ewigkeit empfunden
• am Ende schon dem nächsten Vortrag entgegengefiebert
• sich ihr Produkt, Mitgliedschaft o.Ä. näher angesehen usw.
Das Storytelling-Prinzip kann man im Übrigen nicht nur auf Präsentationen anwenden, sondern auch auf andere Kommunikationsformate.
Haben Sie schon mal besonders gute oder schlechte Präsentationen erlebt? Was ist Ihnen dabei aufgefallen?
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